Piano, das. Kaum ein Instrument, welches den Schreiber dieser Zeilen vor einen grösseren inneren Zwiespalt stellt. In experimenteller, präparierter Form oft sehr grossartig - s. dazu auch und vor allem das Frühwerk von Hauschka -, während das romantische, schöne und oft auch von Streichern begleitete Piano, abgesehen von seinem Einsatz in drittklassigen, weichgezeichneten 80er Softporno-Soundtracks, aus Autorensicht zu den schwer erträglichen Dingen des Lebens gehört – auch, weil diesem oft etwas hippiehaft-esoterisches oder noch schlimmer Richard Claydermann-haftes anhaftet, eine vermeintlich heile musikalische Welt, mit der sich gerade in den besagten 80ern die eher kulturferne Unter- und Mittelschicht etwas Weltgewandtheit, Klasse und Sophistication in die eigenen vier Wände zu zaubern gedachte.
Wir hören jetzt Klaviermusik. Wie das klang - nach Glam und Glitter, nach gerührten Martinis, Denver Clan und Traumschiff. Allein der Gedanke daran lässt den Schreiber gruseln und es überkommt ihn ein innerliches Schaudern, das sich – unter den eben genannten Vorzeichen - beim konzentrierten Konsum vom Bruno Bavotas "Mediterraneo" über elf Klavierstücke und ganze 44 Minuten Laufzeit konstant in quasikörperlichem Unwohlsein und zuckersüsser Harmonieüberdosis manifestiert. Und in der Befürchtung, dass der aus Neapel stammende, noch junge Pianist Bruno Bavota, schon jetzt geadelt mit Auftritten in der Royal Albert Hall zu London und beim Iceland Airwaves Festival, sich mit dem vorliegenden Album zum neuen Superstar der romantischen Klaviermusik aufschwingen könnte, abgöttisch und ironiebefreit geliebt von Hipstern ("... hab ich auf dem Iceland Airwaves gesehen. War super!"), ebenso wie von Onkel und Tante Käthe in ihrem kleinbürgerlichen Spießerwohnzimmer, zu dem die feiertägliche Coppenrath & Wiese Gefriertorte ebenso gehört wie Mariacron, VHS-Familienvideos oder das sonntägliche Likörchen zur heiß geliebten Lindenstrasse.
Ist das jetzt also der Backlash zurück zur neuen Spiessigkeit, das Zurückschwingen des Pendels, die Gegenbewegung zur einst absoluten Radikalität und Grenzenlosigkeit der elektronischen Musik? Ein 'Zurück zur Natur', zum Purismus des reinen, unverfälschten Instruments? Oder doch nur ein kurzes, musikalisches Aufblitzen völligst abstruser Sehnsüchte, einem Verlangen nach Blumenwiesen, Heugabeln und Liebesgeschichten am Lagerfeuer?
Der Verfasser jedenfalls hält es mit dem S.Y.P.H.-Klassiker "Zurück Zum Beton" und hofft, dass Bavota in dieser Form kein Vorreiter eines neuen, musikalischen Hypes wird.