Warum der auf den eleganten Namen James Mathé getaufte Lad den Künstlernamen Barbarossa angenommen hat? Weil er (bart-)haargenau jenem prototypischen Briten entspricht, den das Klischee empfiehlt. Hörer sollte das nicht schrecken. Das Klischee, das "Bloodlines", dem zweiten Album des rotbärtigen und immer ein wenig blässlich wirkenden James Mathé, entspricht, muss erst noch gefunden werden.
Erstaunlich genug, dass sich Mathé für "Bloodlines" keinen neuen Künstlernamen gesucht hat. Auf seinem 2008 erschienenen Debüt "Chemical Campfires" ist Barbarossa noch Singer/Songwriter in Reinform. Immerhin ausgeschlossen werden kann, dass sich der Troubadix mit der Akoustik-Gitarre wegen Erfolglosigkeit musikalisch neu eicht. Konzerte mit José Gonzales und Johnny Flynn jedenfalls lassen andere Schlüsse zu.
Dennoch scheint Mathé als Barbarossa auf etwas anderes aus gewesen zu sein. Den Hörbeweis liefert er jetzt mit "Bloodlines". Auch wenn seine zierliche Stimmgewalt noch immer über einen großen Wiedererkennungswert verfügt – um die Höreraufmerksamkeit eifert sie inzwischen gemeinsam mit schwermütigen Orgel-Motiven und hypnotischen Down-Tempo Rhythmen ("Bloodline"), Knaller-Beats und Gitarren-Riffs. ("Turbine") sowie R’n’B Handclaps ("The Load") und Rätsel-Raten-Songtiteln ("S.I.H.F.F.Y.").
Sieht man von den vermeintlich typischeren Titel wie "Seeds" und "Saviour Self" ab, offenbart der musikalische Sinneswandel aber mehr als nur die nicht von Barbarossa erwartete Musik. Mit "Bloodlines" unterstreicht Mathé einerseits seine Unabhängigkeit von seiner angeblichen Peer-Group "Singer/Songwriter". Andererseits reiht er sich damit in die Schlange hinter How To Dress Well, James Blake und Weeknd. In diesem Kontext erscheint Mathés Organ dann auch nicht mehr wie der Inbegriff einer Lagerfeuer-Stimme, sondern als zerbrechliches Soul-Falsett in der Tradition Curtis Mayfields.
Dass sich Barbarossa in dieser neuen Haut sehr viel wohler fühlt, ist offensichtlich. Vor allem die jeweils von einem Video begleiteten "Turbine" und "The Load" lassen an dieser rhythmisierten Lebensfreude keinen Zweifel. Dass ihm diese Klanggewänder auch deutlich besser stehen als das Troubadour-Outfit, das bestätigt ihm der Autor jetzt.